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Agra – und ein Weltbild ändert sich

Agra ist eine etwa 1,7 Millionen Einwohner zählende Stadt, ca. 220 km oder – wenn man eine verkehrsreiche Zeit erwischt – ca. 4,5 bis 5 Stunden Busfahrt von Neu Delhi entfernt liegt. Bei Einfahrt und Durchfahrt durch diese Stadt wird man diese Einwohnerzahl nur sehr schwer glauben. Abgesehen von den teils in die Höhe ragenden Hotels westlicher Hotelketten, gibt es nicht wirklich so etwas wie ein Innenstadtzentrum.
Die eigentlichen Sehenswürdigkeiten Agra’s , das Rote Fort und das Taj Mahal liegen recht nah beieinander und bilden dann mehr oder weniger das Zentrum dieser Stadt.
Das Straßenbild entspricht dann auch dem Klischee einer indischen Stadt: neben Rikschas, Motorrädern, bunten Pferdekutschen, Traktoren fahren überall und ohne sich auch nur im geringsten um Fahrspuren zu kümmern winzige grüngelbe Taxis scheinbar unkoordinierbar durch die Landschaft. Wer keine Hupe hat, hat verloren. Oder, so zumindest empfiehlt es unser Führer: wer ans Ziel kommen will, muss das tun, was alle Fahrer tun. Augen zu und einfach fahren.

Zu unserer Überraschung wurden wir im Marriot Courtyard in einem sehr ordentlichen Hotel untergebracht, auch hier waren unsere Befürchtungen unbegründet. Das Bett war mit Rosenblättern dekoriert, die den ganzen Raum mit ihrem Duft überfluteten. Mit wenigen Mitteln hat man uns zu verstehen gegeben, dass wir sehr wollkommen sind.

Als Abendprogramm wurde uns am ersten Abend eine kleine Tanzvorführung geboten, die durchaus sehenswert war und das nicht nur der bunten Kostüme wegen.

Mit Betreten des Hotels, mit dem ersten Kontakt mit den Menschen vor Ort und nicht nur im Umfeld des Hotels, begann sich auch unser Weltbild in Bezug auf Indien zu verändern.
Wir durften einen Stolz dieser Menschen auf das Erreichte in den letzten Jahren erleben, einer, trotz aller Armut, deutlich erkennbaren Zufriedenheit und vor allem einer gelebten Gastfreundschaft und Höflichkeit Touristen gegenüber.
Mehr noch ist von vielen, vor allem von Kindern und Jugendlichen der Wunsch geäußert worden, einmal mit weißen Menschen ein Selfie machen zu dürfen. Viele kommen aus den umliegenden Dörfern in die Stadt und haben noch nie in ihrem Leben einen weißen Menschen gesehen. Wenn der dann 1,92m Länge mitbringt und auch noch weiße Haare hat, scheint das Glück der jungen Inder vollkommen zu sein.
Wenn wir an den Sehenswürdigkeiten von Agra, dem Roten Fort oder dem Taj Mahal nicht die Möglichkeit hatten, an zentraler stelle ein Foto zu machen, dann nicht der Inder wegen, sondern anderer Touristen wegen, überwiegend aus dem asiatischen Raum. Aber davon gab es deutlich weniger, als wir erwartet hatten. Dennoch klang es ein wenig befremdend, beim Rundgang im Inneren des Taj Mahal plötzlich deutlich deutsche Kommentare im breitesten sächsischen Dialekt vernehmen zu können.
Und ja, spätestens beim Verlassen des Roten Forts oder des Taj Mahal musste man sich der Myriaden alter und junger Straßenverkäufer erwehren, die man nicht einmal anschauen oder gar anlächeln sollte, weil das sehr leicht als Kaufinteresse gedeutet werden konnte und auch wurde. Die dann wieder loszuwerden war geradezu unmöglich.

Einige Gebäude des Roten Forts und vor allem aber das Taj Mahal und wurden aus Marmor errichtet, in das mit Halbedelsteinen Blumendekorationen eingelegt waren, die uns aus den Moscheen in den Emiraten durchaus bekannt waren. Ein deutlicher Hinweis, dass die Mogul-Kaiser dem Islam zugehörten. Dieses Kunsthandwerk wurde von einigen wenigen Familien seit der Errichtung der Gebäude weitergefpelgt und kann heute in Werkstätten besichtigt werden. Es war für uns fast unglaublich zu sehen, mit welch einfachen Mitteln der Marmor bearbeitet wurde, damit die dann hauchdünn geschliffenen Halbedelsteine mit einem speziellen Zement eingelegt werden können. So konnten wir auch lernen, dass nicht die Größe einer Marmorplatte, eines Marmorelefanten oder einer Blumenvase aus Marmor entscheidend für die Preisgestaltung ist, sondern wie dünn der Marmor geschliffen ist und wie viele Einzelteile aus Halbedelsteinen hier eingelegt werden.
Die Handarbeit hat man uns u.a. dadurch erklärt, das Maschinen viel zu ungenau und zu schwer steuerbar sind, um die teils nur millimetergroßen Intarsien herzustellen.

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